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„Der Rhein ist immer anders“

Die Wanderfahrt „Rhein und die Altrheinarme“ unter der Fahrtenleitung von Antje Hellwig und Erika Fliege brachte auch den rheinrudererfahrenen Damen Erlebnisse, die sie bis dahin kaum oder gar nicht gemacht hatten. Bis auf eine waren alle Ruderinnen mit dem Rhein irgendwie vertraut, durch Wanderfahrten oder durch ihre dort ansässigen Vereine. Dennoch war der Rhein durch das Niedrigwasser, das inzwischen fast auf das Rekordtief von 2018 herankam, in vielem anders als sonst. Unsere Wanderfahrt führte uns über Ober-, Mittel- und Niederrhein von Rastatt nach Düsseldorf sowie in einige Altrheinarme:

Wir trafen uns in Germersheim, von wo aus wir am nächsten Tag mit dem Zug nach Rastatt fuhren. Beim dortigen Ruderverein begann unsere Wanderfahrt im Goldkanal, der nach wenigen Kilometern in den Rhein mündet. Es dauerte ein bisschen, bis wir unser in wasserdichte Säcke gepacktes Gepäck in die Boote „eingepuzzelt“ hatten. Zum Glück hatten wir A-Gig-Boote, schöne alte Klinkerboote des Düsseldorfer RV von 1880 ausleihen können (danke dafür), die einiges fassen. So konnten wir erfreulicherweise Landdienste vermeiden und alle konnten rudern.

Bereits am Ende des Goldkanals zeigten sich die Tücken des Niedrigwassers, da die Ausfahrt auf den Rhein durch Felsen und Untiefen gut beobachtet werden musste. Diese notwendigerweise erhöhte Aufmerksamkeit und Umsicht der Steuerleute betraf letztlich unsere gesamte Tour. Wir mussten die meiste Zeit das Fahrwasser nutzen, da auch in den Uferbereichen Untiefen drohten. Dafür gab es an den Ufern breite Sand- und Kiesstrände, an den bei der großen Hitze der ersten Tage (meist ganztägig um 35°) viele Menschen sonnten oder im seichten Wasser planschten.

Das Vorhaben auch einige Altrheinarme zu befahren, war nur begrenzt erfolgreich. Oft scheiterte er am Niedrigwasser. Manchmal schien die Einfahrt vom Rhein aus möglich, beim Einfahren verhedderten sich aber die Blätter in Algen und Gestrüpp oder Steine tauchten dicht unter der Wasseroberfläche auf und verhinderten damit die Weiterfahrt. Der Wörther Hafen war befahrbar und wir machten daher Pause beim dortigen Ruder- und Kanuclub. Angesichts der hohen Temperaturen waren die mitgebrachten Getränke schnell ausgetrunken. Freundlicherweise wurden wir aber aus dem Kühlschrank des Clubs mit weiteren (gekühlten!) Getränken versorgt und wir konnten erholt und erfrischt unsere Flaschen auffüllen.

Speyer empfing uns mit schönem Blick vom Boot aus auf den Dom. Mannheim und Ludwigshafen dagegen waren vom Rhein aus gesehen deprimierende Anblicke. Vor allem rechtsrheinisch zogen sich über viele Kilometer oberhalb hoher Spundwände Industrieanlagen am Ufer entlang, es herrschte Lärm und die Luft war voller Abgase. Diese Anblicke machten einem deutlich sichtbar und bewusst, wie sehr der Mensch die Natur verändert, für sich nutzt und auch zerstört. Hier war nichts schön. Zwischen all dieser Hässlichkeit mündet der Neckar, sonst in schöner Landschaft gelegen, in den Rhein.

Die Frachtschiffe konnten aufgrund des Niedrigwassers nur mit halber Ladung fahren, entsprechend viele waren unterwegs. Die Wellen trafen auf die Spundwände, kamen zurück und führten zu Kabbelwasser, was die Steuerfähigkeit herausforderte. Ständiges Kreuzen war notwendig. Gut, dass wir in A-Gig-Booten unterwegs waren. In das Sandhofener Altwasser fuhren wir hinein, atmeten auf, als wir wieder von Grün umgeben waren und picknickten an einem Kiesstrand im seichten Wasser stehend. Was für eine Wohltat, als sich Kühle von den Füßen aus im ganzen Körper ausbreitete.

Am späten Nachmittag erreichten wir Worms, wo wir die beiden Boote erfreulicherweise am Steg angebunden liegenlassen und uns damit eine ziemliche Schlepperei ersparen konnten. Der Wormser Wassersportverein (Kanus und Motorboote) empfing uns sehr gastfreundlich. Sven und seine Frau waren sogar so zuvorkommend, uns mitsamt unserem Gepäck in ihre Fahrzeuge zu packen und uns in die Altstadt zur Jugendherberge zu bringen. Nach diesem heißen und anstrengenden Tag waren wir dafür sehr, sehr dankbar. Einige entspannten dann im Zimmer, andere schauten sich den Dom an oder genossen ein leckeres Eis.

Auf der Strecke bis Mainz blieb es grün am Ufer, meist gesäumt von breiten Kiesstränden durch das Niedrigwasser. Wir befuhren wir das „Baggerloch Eicher See“, wie es im Gewässerkatalog heißt. Kleine und große, teils skurril aussehende ehemalige Bootshäuser, die meist zu Wohnhäuserrn ausgebaut worden waren, säumten das erhöht liegende Ufer, Yachten den See... Mein Haus, mein Boot, mein… Naja, jedem das Seine.

Als wir am Nachmittag den Mainzer RV von 1878 erreichten, wo wir die Boote über Nacht lagern konnten, bedurfte es einer erneuten schweißtreibenden Aktion. Mit vereinten Kräften und mit Unterstützung einiger Mainzer Ruderer schleppten wir die schweren Boote die steilen Pritschen und Treppen zum Verein hinauf.  Alle schnauften. Was waren wir froh, einfachere Wege und Bootsstege zu unseren Vereinsgeländen zu haben. Wieder einmal genossen wir danach die angebotenen gekühlten Getränke.

Auf der anderen Rheinseite mündet der Main völlig unauffällig und gemütlich in den Rhein. Mit Mainz hatten wir den Oberrhein hinter uns gelassen und den Mittelrhein erreicht.

Der nächste Tag verlangte uns dann einiges ab. Die ersten etwa 30 km erfreuten wir uns an Sonne, leichtem Wind und gesunkenen und damit deutlich angenehmeren Temperaturen. Den Taunus auf Steuerbord erreichten wir den Sekt- und Rosenort Eltville, hinter dem wir linksrheinisch in die Nonnenaue (Eltviller Aue) fuhren, ein richtiges Naturparadies. Aufgrund des Niedrigwassers waren am Ufer vielfach die teils freiliegenden Wurzeln der Bäume und Büsche zu sehen, in denen sich Algen, Moose, Gräser usw. gefangen hatten und getrocknet waren, ein fast mystischer Anblick, der die Fantasie beflügelte. Wir konnten die Aue nur wenige Kilometer befahren, da sie zunehmend verkrautet war und wir die Skulls immer wieder von Gestrüpp befreien mussten. Kein Ruderparadies, aber ein wunderschöner Ort, der gut tat und entspannen ließ.

Das berüchtigte Binger Loch und damit das „Weltkulturerbe Mittelrhein“ erwartete uns mit deutlich zunehmendem Wind, Kabbelwasser und sehr viel Schiffsverkehr. Die Schiffe ragten aufgrund der geringen Ladung hoch aus dem Wasser, und überholten sich teilweise. Berg- und Talfahrer mussten sich organisieren. Da auch unsere Boote die Fahrrinne benutzen mussten, waren die Steuerleute sehr gefordert. Ständiges Kreuzen war notwendig. Der inzwischen stürmische Wind trug dazu bei, dass es eine herausfordernde Fahrt wurde. Für die Steuerleute höchste Konzentration, für die Ruderinnen entweder das intensive Erleben der eigenen Kräfte oder aber eher Mühe und Anstrengung. Für die zunehmend imposantere Umgebung blieben an diesem Nachmittag kaum Blicke. Antje, Ruderin auf dem Rhein seit Jahrzehnten, sagte abends, einen solchen Wind habe sie hier noch nicht erlebt.

Ausgepowert erreichten wir gegen Abend Bacharach.  Doch auch hier blieb uns eine weitere Anstrengung nicht erspart. Ohne Gepäck, das wurde von einem Taxi transportiert, wurde der Aufstieg zu unserer Unterkunft auf der Burg Stahleck bewältigt. Aber die Mühe lohnte, denn vom Burghof aus bot sich ein großartiger Blick über das Rheintal und die deutlich sichtbaren Sandbänke. Aber offensichtlich reichte es uns dann doch noch nicht – abends stiegen wir den Burgberg nochmals hinunter bis in das hübsche Örtchen und erklommen ihn nach dem Essen wieder. Und dann nächtigten wir im Turm der zur Jugendherberge ausgebauten Burg aus dem 12. Jhdt.

Bis Boppard hatten wir am nächsten Tag nur eine relativ kurze Ruderstrecke zu bewältigen. Diesmal konnten wir der spektakulären Landschaft und den vielen Burgen mehr Aufmerksamkeit widmen und genießen. Der Wind hatte wieder nachgelassen. Aber die Steuerleute waren durch das ständige Kreuzen und den erheblichen Schiffsverkehr weiter sehr gefordert. Wir passierten die Burg Pfalzgrafenstein in Kaub mitten im Rhein und danach unbeschadet die Loreley und erreichten mittags Boppard. Im Haus Weller wurden wir von einer sehr netten alten Dame begrüßt (die uns am nächsten Morgen ein regelrechtes Sonntagsfrühstück servierte, obwohl doch erst Donnerstag war). Nachmittags erlebten wir den Rhein noch einmal von oben. Eine Seilbahn brachte uns auf eine Anhöhe, von der wir einen Blick auf die Rheinschleife hatten und den „Vier-Seen-Blick“ genossen. (Frage: wie rudert man von einem See in den anderen ??)  Die Seilbahnfahrt hinunter in den Ort mit freiem Blick über den Rhein verursachte bei einigen reichlich Kribbeln im Bauch.

Wieder am Rheinufer kamen wir ins Gespräch mit einer Radlerin, die mangels Brücken die vielen Autofähren nutzte, um immer wieder von einem Ufer zum anderen zu gelangen und sich das Rheintal anzusehen, sozusagen am und auf dem Rhein. Oder mit einem Wäscheauslieferer, dessen Firma von Simmern (nahe Boppard) aus Hotelschiffe am gesamten (!) Rhein mit gewaschenem Bettzeug, Handtüchern usw. versorgt und die gebrauchte Wäsche mitnimmt. D.h., die Lieferwagen bringen täglich oft über hunderte Kilometer ihre Ware zu den Schiffen. Und dort wird sie dann über eine Menschenkette, die von Küchenhelfern bis zum Kapitän oft alle Bediensteten des Schiffs umfasst, vom Fahrzeug in die Wäschelager des Schiffs weitergegeben.                    

Im Laufe des nächsten Tages und bei angenehmen Temperaturen verließen wir dann das Mittelrheintal. Vorbei an bekannten Burgen und Ruinen, wie z.B. der Marksburg und Burg Stolzenfels, erreichten wir die Mündung der Lahn, in die wir auf Wunsch zweier Ruderinnen bis zur ersten Schleuse hineinfuhren. Die Moselmündung in Koblenz mieden wir allerdings, da hier rege Ausflugs- und Berufsschifffahrt verkehrte. Über uns schwebten die Gondeln vom Deutschen Eck hinauf zur Festung Ehrenbreitstein. Auch hier mussten die Steuerleute viel leisten, damit wir im eingeengten Fahrwasser nicht zwischen die Schiffe gerieten. In Leutesdorf hievten wir die Boote aus dem Wasser und lagerten sie auf einem breiten Steinstrand, sorgfältig auf Schwimmnudeln abgelegt. Das Abendessen genossen wir in einem Biergarten direkt am Rhein.

Der Niederrhein begrüßte uns mit dem Drachenfels, der Hauterhebung des Siebengebirges. Hier begann heimisches Ruderrevier für einige Ruderinnen, die in Bonn, Niederkassel, Köln, Neuss und Düsseldorf ihre Vereine hatten. Sie betätigten sich für die anderen auch gerne als Fremdenführerinnen und wiesen auf Sehenswürdigkeiten hin, z.B. den Petersberg in Königswinter, den Langen Eugen der alten Hauptstadt Bonn und vieles andere. Der Schwerpunkt lag diesmal mehr auf kulturellen Sehenswürdigkeiten als auf landschaftlichen Reizen und machte die Fahrt sehr kurzweilig.

In Köln Rodenkirchen konnten wir am Abend an einem Sandstrand anlegen und die Boote dann mit Hilfe eines Wagens zur Kölner Rudergesellschaft 1891 fahren, wo sie über Nacht bleiben konnten. Nach der vielen Schlepperei der letzten Tage war das super. Den Abend verbrachten wir in einem Kölner Brauhaus und einige erfreuten sich an Kölner Delikatessen wie „Himmel un Äad“ zu ihrem Kölsch. Wie an den anderen Abenden war auch dieses Lokal von Antje und Erika zur allgemeinen Zufriedenheit ausgesucht worden. Der Blick auf den Kölner Dom und die Hohenzollernbrücke waren am folgenden und letzten Rudertag ein weiterer Höhepunkt. Man fühlte sich klein am hier breiten Rhein und unter dem imposanten Bauwerk des Doms.

Die Strecke zwischen Köln und Düsseldorf wurde zügig bewältigt, da einige Damen bereits am Spätnachmittag ihren Zug erreichen wollten, um nach Hause zurückzureisen. Als wirklich schön empfanden wir den Rhein in diesem Bereich auch nicht: die Industrieanlagen von Mülheim, Leverkusen und Neuss waren keine Blickfänge und auch das Hinterland nicht. Das Niedrigwasser war deutlich erkennbar. Einmal sahen wir einen Angler, der es sich auf einer kleinen Sandbank mitten im Rhein bequem gemacht und seine Rute ausgeworfen hatte. So brachten wir die Strecke hinter uns.

Nach insgesamt über 420 Kilometern an den acht Rudertagen legten wir am Nachmittag in Düsseldorf am Steg des Rudervereins von1880 an. Es bedurfte noch einiger Anstrengung und Zeit, bis die Boote an Land gebracht, auf Wagen in den Hof des Vereins geschoben, ausgebaut, gereinigt, getrocknet, wieder zusammengebaut, in den Bootslagern abgelegt und auch Skulls und Steuer aufgeräumt worden waren. Da die Zeit für einige knapp wurde, zerstreute sich die Gruppe geduscht und zufrieden relativ schnell.

Es war eine sehr schöne Fahrt, in der wir nicht nur das Rudern und die tolle Landschaft am Rhein genossen hatten, sondern auch die Gastfreundschaft in vielen Vereinen, sei es zum Pausieren, Getränke auffüllen, um Geschäfte zu tätigen, Boote über Nacht zu lagern, für Transfers oder ganz einfach für die vielen Hände, die oft ungefragt immer wieder beim Bootschleppen geholfen hatten. Danke an alle Vereine und Mitglieder, die daran beteiligt waren.

Und danke an Antje und Erika und an alle Ruderinnen, die diese Ruderwoche zu einer sehr schönen gemacht haben.

aequatorpreis

Ehren­tafel der Äquator­preis­träger

pokal

1880 - 2020

drv

Der Düssel­dorfer Ruder­verein 1880 e.V. ist Mit­glied des Deut­schen Ruder­ver­bandes